Das Sechste Gebot

DU SOLLST NICHT EHEBRECHEN.

Untreue in der Ehe kann bis heute in manchen Kulturen das Leben kosten. Das Bürgerliche Gesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland stellte Ehebruch noch bis zum Jahr 1969 unter Strafe. Schon vor der Abschaffung dieses Paragraphen wurde die Forderung des Sechsten Gebotes nach lebenslanger ehelicher Treue als nicht mehr zeitgemäß empfunden. Das Anrecht auf individuelles, persönliches Glück ist in Spannung geraten zur Verbindlichkeit des Eheversprechens. Dennoch erfährt die in biblischen Vorstellungen begründete Entscheidung zur Ehe als Lebensform gerade heute in weiten Teilen der Gesellschaft eine ungebrochen hohe Akzeptanz.


24. September und 3. November 2015, um 19.00 Uhr

»Zügellos – Die Zügel sind los! Heilig oder eilig, und die wieder schwören wir dauerhafte Treue«

Es lasen: Ulla Hahn | Ilma Rakusa

Moderation: Dr. Norbert Hummelt


Auszug aus Bis dass der Tod euch scheidet von Ulla Hahn

Fest soll mein Taufbund immer stehn/ ich will die Kirche hören/ sie soll mich allzeit gläubig sehn/ und folgsam ihren Lehren..., so war es bis ins 21. Jahrhundert zu singen. Heute heißt es: Fest soll mein Taufbund immer stehen/ ich will dem Herrn gehören/ Er ruft mich seinen Weg zu gehen/und will sein Wort mich lehren... Immerhin! Eine Verschiebung von der Kirchen-zur Gottesfolgschaft. Doch auch wenn ich den Auslegungen der katholischen Kirche nicht folgen kann, halte ich fest: Das 6. Gebot ist nicht dazu da, uns den Spass an der Freud zu verhageln. Richtig ausgelegt, kann es den Weg zu einer geglückten lebendigen Beziehung weisen. Einer Beziehung, die man nicht leicht-fertig aufs Spiel setzt. Das sechste Gebot wäre dann so etwas wie eine rote Ampel. Halt stehenbleiben! Innehalten. Überlegen, was aufs Spiel gesetzt wird. Zusammenhalten. In guten wie in schlechten Tagen. Auf meinem morgendlichen Lauf an der Alster umkreise ich täglich eine alte Pappel. Treffender noch als das Bild der zwei Segel scheint mir das Bild dieses Baumes auszudrücken, wie eine Partnerschaft glücken kann.

Alter Pappelbaum

Aus einer Wurzel steigt ein Stück weit der treue Stamm teilt sich in

zwei mächtige Äste treiben jeder für sich ihre Äste und Zweige umarmen einander

in einer atmenden Krone zwei mächtige Äste aus einem Stamm aus einer Wurzel

(unsichtbar tief)

Auszug aus Auch wenn ich es noch so wünschte von Ilma Rakusa

Die Definition von Sünde beschäftigt uns heute wenig, das Wort ist zu religiös konnotiert. Was uns aber nachhaltig beschäftigen kann, ist das schlechte Gewissen. Da meldet sich eine innere Stimme, die keine Ruhe gibt. Sie flüstert: Du hast Unrecht begangen, du musst die Sache einrenken. Es geht nicht an, dass du jemanden hintergehst und dich in eine Lebenslüge hineinmanipulierst. Schaff Klarheit.

Das kann der erste Schritt zu einer Aussprache oder einem Geständnis sein. Worauf ich vielleicht um Verzeihung bitten muss. Es ist nie falsch, um Verzeihung zu bitten, so wie es nie falsch ist, zu verzeihen. Im Recht wähnt sich nur, wer nie den geringsten Zweifel verspürt. Dabei macht uns doch der Zweifel zu vollwertigen Individuen. Zwar rechtfertigt er keine Fehltritte, schützt aber zumindest vor der Illusion, wir hätten alles im Griff. Wer sagt denn, dass ich einen Treueschwur wirklich einhalten kann, auch wenn ich es noch so wünschte? Wunsch und Vorschrift sind eines, die verschlungenen Wege des Lebens – ein anderes.

Rechtschaffenheit bedeutet vielleicht, den Wust der Realität so zu durchqueren, dass man eher selber Schaden nimmt, als andere zu Schaden kommen lässt. Optimal wäre natürlich eine win-win-Situation, doch nicht alles läuft optimal.

(...)

Vor Jahren schrieb ich ein Gedicht, in dem ich eine Wunschliste erstellte:

Wenn sie mehr würden
die Walfische und Delphine
die Kleinsprachen und Rentiere
die Eisdecken und Kinderspiele
die Gletscherzungen und Wildreviere
die Urwälder und Wiegenlieder
die guten Ernten und gesunden Nieren
die Wasserreserven und Prärien
die Aborigines und Couragierten
die Erfahrenen und Unversiegten
die Beherzten und Friedlichen
die Selbstlosen und Liebenden
die grenzenlosen Ärzte und heilen Familien...

Die heilen Familien, die guten Ehen. Ja, bitte mehr davon! Und sei es mit Gottes Hilfe.