Das Zehnte Gebot

DU SOLLST NICHT BEGEHREN DEINES NÄCHSTEN WEIB, KNECHT, MAGD, VIEH NOCH ALLES, WAS SEIN IST.

Was ist das? Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unserm Nächsten nicht seine Frau, Gehilfen oder Vieh ausspannen, abwerben oder abspenstig machen, sondern dieselben anhalten, dass sie bleiben und tun, was sie schuldig sind.

                                                                    Martin Luthers Erklärung zum Zehnten Gebot im Kleinen Katechismus

Du sollst nicht begehren! – Aber wie? Können wir überhaupt nicht begehren? – Für Martin Luther gehört das Begehren zur Grundbeschaffenheit der menschlichen Natur: Wir können nicht nicht begehren, weil seit dem Sündenfall alle menschlichen Regungen begehrlich sind!

Wie also umgehen mit dem Zehnten Gebot, wenn nicht zu vermeiden ist, was wir vermeiden sollen? – Martin Luther empfiehlt einen Umweg: »Wir sollen Gott fürchten und lieben...« – Denn wer Gott liebt, der wird nicht mehr nach dem Hab und Gut seines Nachbarn schielen, weil er das Gute für den Anderen begehrt. In diesem Sinne weist Martin Luther über die Zehn Gebote hinaus, indem er auf Jesus von Nazareth verweist, der im Liebesgebot alle Gebote vereint sieht: Alle Gebote müssen sich an der Liebe bewähren und im Geist der Liebe können neue Gebote entstehen. Freilich: Auch die Liebe lässt sich so wenig gebieten wie sich das Begehren verbieten lässt. Aber wenn sie geschieht, dann führt sie über die Unvermeidlichkeit des Begehrens hinaus und erfüllt zugleich das erste Gebot und das Glaubensbekenntnis Israels: »Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR ist einer. Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. «